Kanton Basel-Stadt

Mit einer Anlaufstelle für Altersfragen näher zu den Leuten

«Der grosse Vorteil der Freiwilligen: wir haben Zeit»

In Basel steht der älteren Bevölkerung seit Ende 2017 die Anlaufstelle «Info älter werden» zur Verfügung. Um sie zu betreiben, setzt der Kanton auch auf Freiwilligenarbeit. Die meisten Mitarbeitenden der Infostelle sind ehrenamtlich tätig – unter ihnen Yvonne Leirer und Sonja Sloendregt.

Man steigt am Marktplatz aus dem Tram, wirft einen Blick auf das rot-goldene Rathaus, geht ein paar Schritte durchs Passantengewühl, betritt einen lauschigen Innenhof mit Café – und schon weist ein Schild auf die Anlaufstelle hin: «Info älter werden» ist mitten in der Stadt Basel gelegen. Sie wird von der Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige (GGG) betrieben, neben einer schon länger bestehenden Informationsstelle zu sozialen Angeboten, dem «GGG Wegweiser». Als der Kanton Basel-Stadt die neue Anlaufstelle rund ums Älterwerden bei der GGG ansiedelte, setzte er also auf eine erfahrene Dienstleisterin mit bestehender Infrastruktur. «Info älter werden» hat Mitte November 2017 den Betrieb aufgenommen.

An diesem spätsommerlichen Freitagnachmittag sind die ehrenamtlichen GGG-Mitarbeiterinnen Yvonne Leirer (72) und Sonja Sloendregt (40) im Einsatz. Ihr Pensum umfasst je drei Stunden pro Woche. Sie beantworten Anrufe und E-Mails, meistens aber stehen sie den Frauen und Männern bei, die persönlich vorbeikommen. Zwar hätten auch vorher manchmal Seniorinnen und Senioren die Anlaufstelle besucht, berichten die beiden. Aber seit dem Start von «Info älter werden» sei das Team der Infothek deutlich häufiger mit älterer Kundschaft beschäftigt. Der Zugang zur Anlaufstelle ist unkompliziert. Die Dienstleistung kostet nichts. Niemand muss sich anmelden oder Formulare ausfüllen.

Triage, nicht Beratung

Die Anlaufstelle berät die älteren Menschen nicht direkt. «Wir machen Triage», sagt Yvonne Leirer. Die Ratsuchenden sollen je nach Anliegen an die passenden Unterstützungsangebote vermittelt werden. Leirer und Sloendregt beantworteten unter anderem schon Fragen zu Wohnformen im Alter, Patientenverfügungen, Hilfe beim Schreiben und beim Zahlen von Rechnungen. GGG-interne Fachleute hatten zuvor die Freiwilligen an zwei Sitzungen zum Thema Alter geschult. Als Arbeitsinstrumente stehen ihnen eine Online-Datenbank und diverse Dossiers in Papierform zur Verfügung. Um fürs neue Angebot parat zu sein, wurde die Datenbank um den Altersbereich aktualisiert. Sie speichert heute 1200 Angebote von über 500 gemeinnützigen Organisationen im Kanton Basel-Stadt. 

«Wenn jemand beispielsweise nach dem Vorsorgeauftrag fragt, suche ich ihm zwei, drei Adressen heraus, wo er kompetente Beratung zu diesem Thema findet», beschreibt Yvonne Leirer das Vorgehen. Sie achtet darauf, die Leute nicht mit zu viel Material einzudecken. Denn das könnte überfordernd wirken. Lieber bietet sie ihnen an, bei Bedarf nochmals vorbeizukommen. Die Datenbank ist zwar via Website www.sozialesbasel.ch frei zugänglich. «Doch gerade ältere Menschen ohne grosse Computer-Kenntnisse sind dankbar, wenn jemand sie bei der Internet-Suche begleitet», stellt Sonja Sloendregt fest. 

«Einfach mal zuhören»

Die Präsenz der Mitarbeitenden ist entscheidend. Da sind sich beide Frauen einig. «Es ist für die älteren Menschen wertvoll, einen Ort zu haben, wo ihnen einfach mal jemand zuhört», sagt Yvonne Leirer. Vielen fehle das, weil sie allein lebten. Aber auch Angehörige von Menschen mit Demenz schätzten es, sich die Sorgen von der Seele zu reden, bevor sie ihr Anliegen formulierten: «Wir haben Zeit», fügt Sonja Sloendregt an, «das ist der grosse Vorteil von uns Freiwilligen.»

Insgesamt 14 Ehrenamtliche engagieren sich derzeit bei der GGG-Infostelle, drei werden gerade eingearbeitet. Die Mehrheit ist selber im Rentenalter. Rekrutierungsprobleme hat es laut Geschäftsleiterin Barbara Heinz nie gegeben. Heinz betreut die Freiwilligen und steht gleichzeitig einem vierköpfigen Team von Festangestellten vor, darunter zwei Sozialarbeiterinnen. Die Zusammenarbeit zwischen Profis und Freiwilligen sei mittlerweile eingespielt und funktioniere, sagt die Chefin. Sie stellt klar: «Ohne das freiwillige Engagement könnte die Anlaufstelle nicht betrieben werden.» 

«Wichtig für die Gesellschaft»

Yvonne Leirer ist schon seit 2012 freiwillig dabei. Beruflich war sie lange als Architektin tätig, später als Fachfrau in der Arbeitsintegration. Mit der Pensionierung hatte sie Mühe: «Ich wollte weiterhin etwas tun. Etwas Sinnvolles, das mich auch intellektuell fordert.» Auch habe sie den Kontakt zu den Menschen vermisst. Bei der Infothek fand sie, was sie suchte. Sie findet es «ganz toll», hier zu arbeiten. Manche Klientinnen und Klienten erzählten aus ihrem Leben, das sei interessant. Selber über 70, versteht sie gewisse Fragen der älteren Menschen bestens: «Manchmal kann ich meine eigenen Erfahrungen einbringen.»

Bei Sonja Sloendregt ist das Alter noch weit entfernt. Sie ist diplomierte Ernährungsberaterin HF und leistet ganz bewusst Freiwilligenarbeit: «Das ist wichtig für die Gesellschaft.» Bezahlte und unbezahlte Arbeit seien für sie gleichwertig. Bei der GGG arbeitet sie seit einem Jahr. Es ist für sie spannend zu sehen, was ältere Menschen beschäftigt: «Das erweitert meinen Horizont.» Die Klientinnen und Klienten sollten die Infostelle hoffnungsvoll wieder verlassen können, sagt sie, «mit einer Vorstellung, was der nächste Schritt sein könnte.» Gelinge das, sei es sehr befriedigend.

Hilfe zur Selbsthilfe

Lohn in Form von Geld erhalten die beiden Frauen nicht, Wertschätzung aber schon. Nicht nur von den Ratsuchenden, denen sie weiterhelfen, sondern auch von der GGG. Diese bietet ihren Freiwilligen Weiterbildung und Supervision. Sie werden zu geselligen Anlässen eingeladen und erhalten ein Gratis-Abo für die Bibliothek.

Eines hat Yvonne Leirer und Sonja Sloendregt die Arbeit für «Info älter werden» schon gelehrt: die gängigen Altersbilder sind ziemlich überholt. Beide erleben die älteren Menschen, die bei der Anlaufstelle vorbeikommen, nicht als schwach und unselbständig, sondern als initiativ. Was sie suchten, sei Hilfe zur Selbsthilfe. «Viele sind sehr interessiert», bilanziert Yvonne Leirer, «und bereit, etwas Eigenes beizutragen.» Sie selbst, so wäre anzufügen, ist dafür ja das beste Beispiel.

 

 

Alltagshilfe und Finanzen besonders gefragt

Eine zentrale Anlaufstelle für alle Fragen rund ums Älterwerden: das ist die innovative Idee hinter «Info älter werden». Die Infostelle entstand auf Initiative des Kantons Basel-Stadt, in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige, Pro Senectute, Migrantenorganisationen und dem Verein 55+, einer Seniorenvertretung. Für die Startphase erhielt der Kanton einen finanziellen Beitrag der Age-Stiftung im Rahmen des Programms Socius. Den laufenden Betrieb trägt die GGG unter Mithilfe von Freiwilligen. Die Online-Datenbank wird mitfinanziert vom Kanton und der Christoph Merian Stiftung.

Die Anlaufstelle soll es der älteren Bevölkerung ermöglichen, sich im dichten Angebot von Dienstleistungen zurechtzufinden. Dass dies nötig ist, hatte eine Umfrage ergeben. In den ersten sieben Monaten erhielt die Infostelle rund 600 Anfragen von älteren Menschen und ihren Bezugspersonen. Laut Geschäftsführerin Barbara Heinz betrafen sie am häufigsten allgemeine Hilfestellungen. Die Leute fragten etwa nach Schreib- und Übersetzungsdiensten, Support bei administrativen Angelegenheiten sowie Unterstützungs- und Begleitangeboten. Weit vorne landete auch das Thema Finanzen. Dabei ging es unter anderem um Ergänzungsleistungen und Pflegefinanzierung. Die Leistungserbringer, an die die Ratsuchenden weitervermittelt werden, sind alles Non-Profit-Anbieter. «Manchmal fragen Senioren nach kommerziellen Angeboten, beispielsweise bei Pflege und Betreuung zuhause», sagt Heinz, «dann händigen wir ihnen eine von uns zusammengestellte Adressliste aus.»

Nach einem ersten Schub hat die Anlaufstelle «Kapazität für noch mehr Anfragen», wie es die Geschäftsleiterin formuliert. Besonders von der Zielgruppe der über 80-Jährigen sei noch wenig gekommen: «Wir müssen die Stelle bekannter machen.» Nun ist eine weitere Informationsoffensive geplant. Dabei werden auch Arztpraxen und Apotheken als Mittler einbezogen. Heinz ist überzeugt, dass die Informationsstelle einem Bedürfnis entspricht. Zudem erfüllt sie eine alterspolitische Funktion. Erhalten ältere Menschen im Alltag Hilfe, können sie länger selbständig zuhause wohnen. Regierungsrat Lukas Engelberger (CVP) sprach bei der Eröffnung von einem «grossen Fortschritt in der Gesundheitspolitik».

Text: Susanne Wenger

 



Zuhören, Auskunft geben: Die 72-jährige Yvonne Leirer arbeitet freiwillig bei «Info älter werden» mit.