Bezirk Küssnacht (SZ)

Alltagshilfe für Ältere: eine gemeinschaftliche Aufgabe

Eine gemeinsame Anlaufstelle als Booster für die Zusammenarbeit

Der Bezirk Küssnacht und drei Organisationen betreiben seit 2021 eine Anlaufstelle für Fragen rund ums Älterwerden. Nora Zumoberhaus vom Fachbereich Alter des Bezirks und Monika Durrer vom Schweizerischen Roten Kreuz schildern im Interview ihre Erfahrungen.

Das Zentrum Monséjour in Küssnacht am Rigi ist so nahe am Ufer des Vierwaldstättersees gelegen, dass man auch an diesem trüben Frühwintertag die Idylle ahnt. Im Parterre des Gebäudes, das der katholischen Kirchgemeinde gehört und in dem auch gesellige Veranstaltungen stattfinden, befindet sich der «Info-Punkt-Zäme». So heisst die im November 2021 eröffnete Anlaufstelle für Fragen rund ums Älterwerden. Ältere Menschen und Angehörige erhalten dort kostenlos Auskunft zu Angeboten, die das selbständige Leben zuhause unterstützen. Der Schalter ist an drei Vormittagen pro Woche geöffnet. Das alterspolitisch Besondere an dieser Anlaufstelle: Der Bezirk als politische Gemeinde und drei Leistungserbringer mit öffentlichem Auftrag tragen sie zusammen.

Zum Bezirk Küssnacht gehören die Ortschaften Küssnacht, Immensee und Merlischachen. Die mittragenden Organisationen sind das Schweizerische Rote Kreuz (SRK), die Spitex Bezirk Küssnacht und Pro Senectute. Nora Zumoberhaus, in der Abteilung Soziales und Gesellschaft des Bezirks für die Fachbereiche Alter und Integration zuständig, hat ihren Arbeitsplatz im «Info-Punkt-Zäme». Auch das Büro von Monika Durrer, Leiterin der SRK-Zweigstelle Küssnacht, befindet sich hier. Ende 2023 ist die Situation so, dass die beiden Fachfrauen abwechselnd die Öffnungszeiten der Anlaufstelle abdecken. Sie erledigen ihre angestammte Arbeit und sind gleichzeitig für die Menschen da, die sich an die Stelle wenden.

Frau Zumoberhaus, Frau Durrer, wie nutzt die ältere Bevölkerung die Anlaufstelle?

Nora Zumoberhaus: Wir verzeichnen im Durchschnitt zwei bis sechs Schalterkonktakte pro Woche. Dazu kommen Anfragen per Mail oder Telefon. Manchmal überschneidet es sich. Jemand ruft beispielsweise wegen eines Fahrdiensts an und wir merken im Gespräch, dass breitere Unterstützung gefragt sein könnte. Dann schlagen wir vor, dies einmal anzuschauen.

Monika Durrer: Ein Ziel der Anlaufstelle war die Niederschwelligkeit. Das haben wir erreicht. Unsere Tür ist offen, man kann ohne Anmeldung vorbeikommen. Je nach Anliegen geben wir einen Flyer ab oder sagen, wohin die anfragende Person sich wenden kann. Die Anfragen drehen sich oft um Entlastung zuhause: Unterstützung im Haushalt, spazieren gehen, stundenweise Betreuung. Meistens sind es Angehörige, die sich damit an uns wenden. Es ist sehr wichtig, dass Angehörige eine Anlaufstelle haben. Das merken wir. Weitere häufige Themen sind die selbstbestimmte Vorsorge, die Wohnsituation, ein möglicher Heimeintritt.

Sie erteilen Auskunft, und die anfragenden Personen kontaktieren die genannten Anbieter von Unterstützungs- oder Beratungsleistungen dann selber?

Nora Zumoberhaus: Ja, sofern dieser Weg der Vermittlung für sie in Ordnung und machbar ist. Es gibt aber auch die Möglichkeit, uns mit einer Triage zu beauftragen. Wir haben mit der Zeit festgestellt, dass dies ein Bedürfnis ist, und darauf reagiert.

Monika Durrer: Schon hier vorbeizukommen ist für manche ein Schritt. Wir merkten, dass es einigen recht wäre, wenn wir auch die Unterstützung einfädeln würden. Doch aus Datenschutzgründen dürfen wir Personalien nicht einfach weitergeben. Deshalb führten wir ein Formular ein, durch das die Ratsuchenden mit ihrer Unterschrift einwilligen. Sie müssen sich dann nicht selber bei den Organisationen melden, sondern diese melden sich bei ihnen.

Kommen die Leute auch mit unerwarteten Anliegen an den Schalter?

Nora Zumoberhaus: Ja. Einmal kam jemand aus dem Kreis der Angehörigen eine Bushaltestelle beantragen, damit eine ältere Person den öffentlichen Verkehr nutzen könne. Da konnten wir zwar nicht helfen, doch ich leitete das Anliegen weiter. Und einmal löste eine Anfrage zu einem Alltagshilfsmittel einen Run auf die Anlaufstelle aus. Jemand hatte sich nach einem Flaschenöffner erkundigt, den man mit eingeschränkter Feinmotorik bedienen könne. Er sei sehr praktisch und früher gratis abgegeben geworden. Ich besorgte einige Exemplare, worauf immer mehr Personen nach dem Flaschenöffner fragen kamen. Sie sagten, sie hätten vernommen, dass dieser hier erhältlich sei. Der Dorffunk hatte funktioniert…

Monika Durrer: …und beim Hinausgehen nahmen sie auch noch gleich einen Flyer zu einem Unterstützungangebot mit. Das war für uns ein interessantes Beispiel. Es spricht sich offensichtlich herum, wenn die Anlaufstelle etwas anbietet. Wir sagten uns: diesen Dorffunk könnten wir auch sonst einmal nutzen.

Bei den an der Trägerschaft der Anlaufstelle beteiligten Partner gibt es eine konzeptionelle und eine operative Ebene. Fangen wir mit der operativen an: Wer leistet welchen Beitrag?

Nora Zumoberhaus: Grundsätzlich sind immer noch alle vier Partner in der Projektgruppe vertreten. Operativ ergaben sich im Verlauf des Projekts Veränderungen. Aus internen Gründen können sich die Spitex und Pro Senectute aktuell nicht an der Abdeckung der Öffnungszeiten beteiligen. Deshalb mussten wir diese leicht reduzieren. Was den Bezirk Küssnacht betrifft, stellt er einen Teil meiner Arbeitszeit zur Verfügung: für die Anlaufstelle und koordinierende Aufgaben. Zudem übernimmt er die Hälfte der Raummiete.

Monika Durrer: Der personelle und finanzielle Beitrag des Bezirks ist aus meiner Sicht enorm hilfreich. Die andere Hälfte der Miete finanziert das SRK, wobei der Mietvertrag und die Räumlichkeiten schon vorher bestanden. Von meinem 40-Prozent-Pensum stellt das SRK rund zehn Prozent für die Anlaufstelle und Projektsitzungen zur Verfügung. Bisher ist es trotz den Ausfällen bei den anderen Organisationen zum Glück gelungen, die Anlaufstelle offenzuhalten.

Beteiligen sich die Organisationen aus freien Stücken am Projekt?

Monika Durrer: Bis jetzt schon, ja. Der Wille ist bei allen da, aber unter erschwerten Umständen, beispielsweise wegen einer Stellenvakanz, lassen sich die Präsenzzeiten nun einmal nicht herbeizaubern. Die Frage, wie sie gewährleistet werden können, muss im Hinblick auf die Zeit nach der Projektphase sicher näher angeschaut werden.

Nora Zumoberhaus: Verständlicherweise geht der Kernauftrag vor, wenn eine Organisation mit Fachkräftemangel und personellen Engpässen zu kämpfen hat. Ich glaube, alle sind sich einer gewissen Verbindlichkeit bewusst. Mir ist es sehr wichtig, diesbezüglich mit einem nachhaltigen und realistischen Plan aus dem Socius-Projekt herauszugehen.

Konzeptionell ist die Anlaufstelle Ausdruck davon, dass die Organisationen und Leistungserbringer stärker zusammenarbeiten wollen. Wie weit sind Sie da gekommen?

Nora Zumoberhaus: Der Prozess läuft seit 2019 und steht unter dem Titel «Zäme is Alter». Die Teilnahme am Programm Socius der Age-Stiftung hat ihm viel Schub verliehen. Wir sind dem Ziel näher gekommen, haben einen grossen Schritt Richtung integrierte Versorgung gemacht. Der Bezirk verfügt über konkrete Ansprechpersonen, auch die Leistungserbringer kennen sich besser und tauschen sich regelmässig aus: in der Anlaufstelle, der Projektgruppe und im erweiterten Kreis der schon vorher bestehenden Kommission für Altersfragen des Bezirks. In der Kommission sind auch Heimleitungen, die Kirchen, der Seniorenrat und der traditionsreiche Küssnachter Verein «Aktiv im Alter» vertreten.

Monika Durrer: Wir vom SRK empfinden die Zusammenarbeit als Win-Win-Situation: für die Leistungserbringer und für die älteren Menschen in unserem Bezirk. Die grosse Stärke unseres Projekts ist es, gegenseitig das Wissen und die Ressourcen nutzen zu können. Da hat die gemeinsame Anlaufstelle sehr viel gebracht, besonders, als alle Partner anwesend waren. Wir sehen uns wöchentlich, übergeben den Schlüssel, sprechen uns ab. Die Wege sind kurz.

Ende 2022 nahmen Sie zusätzlich ein Case Management – wie es in der Fachsprache heisst – ins Angebot der Anlaufstelle auf. Dabei werden Unterstützungsleistungen für ältere Menschen gezielt aufeinander abgestimmt. Von welchen Erfahrungen können Sie berichten?

Monika Durrer: Das Case Management ist für komplexe und kritische Situationen gedacht, in die ältere Menschen geraten können. Etwa nach einem Sturz, dem Tod der Partnerin, des Partners oder wenn sich die Gesundheit verschlechtert. Eine qualifizierte Fachperson erfasst die Lage im Gespräch und vermittelt und koordiniert anschliessend die notwendigen Dienstleistungen. Sie klärt auch die Finanzierung ab. Bei komplexeren Situationen reichen Informationen am Schalter nicht aus – das war ein Beweggrund, das Case Management einzuführen. Zudem sind häufig ohnehin schon mehrere Leistungserbringer unseres Bezirks involviert. Da ist es nur sinnvoll, einen Hilfsplan zu koordinieren, der die ältere Person in ihrer Lebenssituation bestmöglich unterstützt.

Nora Zumoberhaus: Bis vor kurzem nahm Pro Senectute die Fallführung wahr, wegen einer Stellenvakanz ruht sie gerade. Als Übergangslösung leisten wir auf der Anlaufstelle gewisse Einzelberatungen, wenn bei einer anfragenden Person zwei, drei Aspekte der Unterstützung zuhause zusammenkommen. Danach vermitteln wir sie an die passenden Stellen weiter. Es bleibt unser Ziel, auch künftig eine Form des Case Managements anzubieten.

Wie geht es mit der gemeinsam getragenen Anlaufstelle nach der Projektphase 2024 weiter?

Monika Durrer: Das Programm Socius hat uns verdankenswerterweise in den letzten vier Jahren ermöglicht, auf einem grossen Feld einiges auszuprobieren, ohne dass sofort eine feste Struktur errichtet werden musste. Nun gilt es aus den Erfahrungen zu lernen. Eine niederschwellige Anlaufstelle entspricht einem Bedürfnis, die Vernetzung hat sich verstärkt. Finden wir jetzt noch einen Rahmen, in dem sich alle beteiligten Organisationen wiederfinden und zu dem sie sich bekennen, kann die Anlaufstelle weiterbestehen. Ich bin zuversichtlich.

Nora Zumoberhaus: Auch ich schaue positiv in die Zukunft. Parallel läuft im Bezirk ein Strategieprozess, das Altersleitbild von 2008 wird erneuert. Der Bezirksrat wird Anfang 2024 entscheiden, ob die Anlaufstelle verankert wird. Es geht jetzt darum, deren Auftrag zu definieren, ausgehend von den Ressourcen der Organisationen und der vorhandenen Infrastruktur. Vermehrt wollen wir auch jene älteren Menschen erreichen, die den Zugang zur Anlaufstelle bisher nicht fanden, aufgrund sprachlicher Hürden oder weil sie isoliert leben.

Wie wollen Sie es bewerkstelligen, diese älteren Menschen besser zu erreichen?

Nora Zumoberhaus: Indem wir die Bevölkerung und die Fachpersonen ausdrücklich dafür sensibilisieren. Ein wichtiges Angebot ist die Nachbarschaftshilfe, die wir vom Bezirk her koordinieren und in der sich aktuell 14 Freiwillige engagieren. Auch kann ich mir vorstellen, Schlüsselpersonen aus der Migrationsbevölkerung vermehrt im Altersbereich einzusetzen. Denkbar sind zudem Info-Anlässe in den jeweiligen Sprachen in der Anlaufstelle.

Monika Durrer: Eine Anlaufstelle als Insel löst noch ganz vieles nicht. Es braucht auch die Angebote in den Quartieren, die bereits nahe bei den Leuten sind. Dort wird es bemerkt, wenn jemand nicht mehr am Mittagstisch erscheint. Die Nachbarschaftshilfe ist ebenfalls sehr wertvoll. Das hat der Bezirk Küssnacht früh erkannt, und er hat auch etwas investiert.

Zu den Personen

Nora Zumoberhaus ist seit Frühling 2023 in der Abteilung Soziales und Gesellschaft des Bezirks Küssnacht für die Fachbereiche Alter und Integration verantwortlich. Die ausgebildete Sozialarbeiterin nimmt ein 80-Prozent-Pensum wahr. Sie koordiniert in der Schlussphase das Socius-Projekt.

Monika Durrer leitet seit 2013 die Zweigstelle Küssnacht des Schwyzer SRK. Die kaufmännisch ausgebildete Fachfrau vermittelt dessen Dienstleistungen und ist für die Disposition des Freiwilligen-Fahrdienstes zuständig. Sie vertritt das SRK in der Kommission für Altersfragen des Bezirks.

Interview: Susanne Wenger